Der Rossi und die sieben Schäflein

Rossi wollte schon lange mal ein Schaf näher kennenlernen. Bei jedem Schaf am Straßenrand jammerte er rum, dass er dem komischen Hund im Wollanzug Hallo sagen will. Jetzt hatte er endlich die Gelegenheit für ein „Meet and great“. Denn: Ein Schaf wollte ihn kennenlernen. Und was ist? Die Töle macht sich fast in die Hosen.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals einem Schaf in den Bergen begegnet zu sein, das die Nähe zu Menschen gesucht hätte und sogar furchtlos auf Hunde zugeht. Genau dieses eine einzigartige Schaf mit seinen beiden halbstarken Gören ist uns über den Weg gelaufen. Ich weiß nur nicht, ob es tatsächlich ein hundeliebendes Superschaf ist, oder ob das ungewöhnliche Verhalten auf die Vorgeschichte zurück zu führen ist. Die gibt es nämlich.

Die Vorgeschichte:
Ein cleveres Schaf, Mutter von zwei halbstarken Gören, hatte es irgendwie geschafft, aus seinem Weidebereich auszubrechen und über den Dravladalsvatn-Damm neues Terrain zu erschließen. Vielleicht war da das Gras schmackhafter, das Wasser spritziger, die Aussicht schöner, oder die Gesellschaft besser… Dem Schaf gefiel es da jedenfalls richtig gut. Nur dem Bauern gefiel es nicht, dass sein Schaf auf dem falschen Berg herumspazierte und so zog er aus, es zu suchen und zum richtigen Berg zurück zu bringen.

Die Nachgeschichte:
An diesem Punkt der Geschichte treten Rossi und ich in Erscheinung. Wir verließen gerade den Damm, als der Bauer selbigen betreten wollte. Immer wieder blieb er stehen und suchte mit dem Fernglas die Berge ab. Schließlich kletterte er den Berg auf der anderen Dammseite hoch und verschwand aus meinem Blickfeld. Etwa 2 Stunden später konnte ich ihn wieder ausmachen. Hinter ihm trabten drei Schafe den Berg herunter – besagtes Mama Schaf mit ihren beiden halbstarken Gören. Der Bauer muss irgendwas schafsmäßig total leckeres dabei gehabt haben, denn sie klebten an ihm, wie der Bär am Honigtopf.

Tor auf, Schafe auf den Damm getrieben. Tor wieder zu und Schafe über den Damm auf die andere Seite getrieben. Das dortige Tor auf, Schafe raus, Tor zu, Bauer fährt nach Hause und wir haben drei neue schafige Nachbarn.

Zunächst kümmerten wir uns nicht um einander. Die Schafe waren außer Sicht- und Hörweite und waren mit ihren Schafangelegenheiten beschäftigt. Und mich beschäftigte der zu erwartende Sonnenuntergang über dem Hardangerfjord.

Um das Schauspiel zu verfolgen, schnappte ich mir meinen Stuhl, mein Buch, einen Pullover und Rossi und machte es mir gegenüber des zu erwartenden Sonnenuntergangs, neben dem Felsbrocken gemütlich.

Die Sonne war noch etwas hoch, aber dafür schön warm.

Ich hatte mein Buch, Rossi hatte die Aussicht…

und einen Schlafplatz unter meinem Stuhl…

Plötzlich bimmelte es und ein Mamaschaf mit 3 halbstarken Gören lief von links nach rechts vor uns vorbei. Ich griff unter den Stuhl um Rossi festzuhalten, weil er ja ohne Leine da lag. Aber die Schafe waren Rossi egal. Und wir waren den Schafen egal.

Aber dann gab es ein lautes Bääähäää von hinten. Da stand das clevere Mama Schaf mit den beiden halbstarken Gören, die man vom gegenüberliegenden Berg abgeholt hatte.

Wieder unter den Stuhl gegriffen und Rossi am Geschirr gepackt. Aber dieses Mama Schaf war anders als alle anderen Schafe, die ich bislang getroffen habe. Es erblickte Rossi und kam schnurrstracks auf uns zu.

30 cm vor dem (inzwischen) knurrenden Rossi blieb Mama Schaf stehen. Dann streckte sie die Nase aus und schnüffelte an Rossis (knurrender) Nase. Dies perfekt fotografisch festzuhalten ist mir leider nicht gelungen. Aber ich musste auch mit der rechten Hand den aufgeregten Rossi fest- und das Schaf auf Distanz halten und gleichzeitig mit der linken Hand die Kamera ausrichten und den Auslöser suchen. Das ist nicht ganz einfach, wenn man Rechtshänder ist!

Mama Schaf fand das braune kurz geschorene Rossi-Schäfchen höchst interessant und schien über eine Adoption nachzudenken. Davon hielt Rossi gar nichts. Er war inzwischen unter dem Stuhl durchgekrochen, sodass ich ihn jetzt mit links hielt und die rechte Hand für die Kamera hatte.

Auch die beiden halbstarken Gören fanden Rossi irgendwie cool. Bruder?

Um einen größmöglichen Sicherheitsabstand zu den verrückten Schafen zu schaffen, sprang Rossi auf den Felsbrocken. Von dort kletterte er dann auf meinen Schoß. Hilfe Mami!!!

Das braune Fell im unteren Bildbereich des nächsten Fotos gehört dem völlig aufgelösten Rossi auf meinem Schoß! Hund und Schafe gemeinsam aufs Foto zu bringen ging aus der Perspektive leider nicht.

Endlich zogen die aufdringlichen Schafe wieder ab.

Die halbstarken Gören brauchten nach der Geschichte erstmal einen kräftigen Zug aus der Zitze.

Komisches braunes Schaf…

Danach hab ich Rossi ins Auto gebracht. Das war zu aufregend für ihn. Gute Entscheidung, so war ich auch flexibler beim fotografieren und konnte in den Felsen nach noch besseren Aussichten suchen. Ohne die Gefahr, dass Rossi in die Tiefe plumpst…

Während ich im Wollgras lag, lief Mama Schaf mit ihren halbstarken Gören laut blöckend und zunehmend frustrierter am Weidezaun Patrouille. Sie wollte wieder rüber, auf den anderen Berg!!!

Nach ein paar Shoots suchte ich mir einen noch besseren Platz weiter vorne an der Kante (sieht gefährlich aus, war es aber nicht) …

Und die Schafe machten sich derweil über meine Sachen her und inspizierten, besabberten und bekauten alles was sie fanden…

Während ich mich weiter mit dem Sonnenuntergang beschäftigte…

Anscheinend wollte Mama Schaf den halbstarken Gören was aus meinem Buch vorlesen. Dabei riss sie aus Versehen die erste Seite halb raus. Oder fraß sie halb auf? Danach lag das Buch auf dem Boden. Oopps.

Und dann entdeckte Mama Schaf mich.

Mit energischem Blick und Schritt kam sie zielstrebig auf mich zu….

… laut ihr Klagelied blökend, dass sie entweder zurück auf den anderen Berg oder was leckeres zu fressen haben will.
Das Buch war MIST!

Bei diesem Foto war ich wieder überfordert, denn das Schaf und ich hatten Kontakt – mein Finger und Mamas Nase.

Danach zog sie blöd blökend wieder ab. Die halbstarken Gören hinterher.

Ich widmete mich wieder der Sonne und Rossi konnte sich im Auto wieder abregen und sein wütendes Gebell einstellen.

Dann kam Mama Schaf ein letztes mal checken, was ich treibe…

Anschließend verschwand sie mit den halbstarken Gören im Sonnenuntergang und wir haben uns nie wieder gesehen…

Aber als ewiges Andenken hatte mir Mama Schaf ein besabbertes….

… und angefressenes Buch hinterlassen. Ein tolles Buch übrigens!

Das also war die Geschichte von Rossi und den (insgesamt) sieben Schäflein… Die muss er jetzt erstmal verdauen. Also die Geschichte, nicht die Schäflein…